Immer wieder stießen wir auf Skepsis, auch von Kollegen, wenn wir von dem Verdacht berichteten, dass die kosovo-albanische Befreiungsarmee UCK serbischen Gefangenen Organe entnommen haben soll. Technisch sei das gar nicht möglich, unter Kriegsbedingungen Menschen Organe zu entfernen und per Flugzeug in eine Transplantationsklinik zu schaffen, hieß es. Recherchen bei Transplantationsmediziniern und den Experten von “Organs Watch” belehrten uns eines Besseren: Nieren sind besonders widerstandsfähige Organe, die bis zu hundert Stunden von der Entnahme bis zur Transplantation haltbar sind. Und eine Organentnahme ist auch in einem Feldlazarett möglich, vor allem dann, wenn man keinen Wert auf das Überleben des “Organspenders” legt.
Doch gibt es überhaupt einen Markt für illegal entnommene Organe? Während unserer Recherchen lernten wir, dass der Mangel an verfügbaren Organen so groß ist, dass Patienten, die jahrelange Dialyse ertragen mussten, bereit sind, bis auf die Philippinen zu fliegen und 100.000 Euro für eine einzige Spenderniere zu zahlen. Organhandel ist in vielen Ländern eine schwere Straftat. Doch der Not der Patienten ist offenbar größer als die Furcht vor Strafe.
Auf unserer Reise durch Serbien, das Kosovo und Albanien stellten wir uns ständig die Frage, ob der angebliche Organhandel der UCK-Kämpfer nur eine Kriegslüge der Serben ist. Schließlich waren es die Truppen Milosevics, die das Kosovo besetzten und unbeschreibliche Gräuel an der kosovo-albanischen Zivilbevölkerung verübten. Die Massengräber, die die UN-Experten um den Peruaner José Pablo Baraybar fanden, zeugen jedoch auch von kosovo-albanischen Verbrechen an Serben, die im Kosovo als Minderheit lebten. Geschändete serbisch-orthodoxe Kirchen und niedergebrannte Wohnhäuser zeugen noch heute von den Racheakten der Albaner, deren Opfer serbische Zivilisten und nicht die Soldaten der Besatzerarmee wurden.
Bei unseren Gesprächen mit Angehörigen der Opfer, mit Experten des Organhandels und mit ehemaligen UCK-Kämpfern wunderten wir uns immer wieder, warum seit dem Ende des Kosovo-Krieges vor 12 Jahren nicht viel mehr Journalisten dem Verdacht nachgegangen sind. Wir stießen immer wieder auf Dokumente von Geheimdiensten, der Nato und der Vereinten Nationen, die die These untermauern, dass die UCK tatsächlich in grausame Verbrechen verwickelt war.
Der Schweizer Dick Marty gab den Anstoß, dass der Fall jetzt endlich aufgerollt wird. Marty ist guter Dinge, dass die Ermittlungen neue Details enthüllen werden, trotz der Skepsis, die ihm entgegengebracht wird. Schließlich glaubte ihm vor ein paar Jahren auch kaum ein Journalist, dass es in Europa amerikanische Geheimgefängnisse gab, in die Terrorverdächtige verschleppt wurden. Die Zweifler wurden widerlegt.