ZitatAusnahmezustand im serbischen Guca: 800.000 Besucher beim Festival erwartet .
3.000 Menschen leben in der in Zentralserbien gelegenen Gemeinde Guca. Hunderttausende Besucher werden diese kleine verträumte Ortschaft vom 08. bis zum 14. August dieses Jahres komplett auf den Kopf stellen. Der Grund für den großen Andrang ist das berühmte Trompeten-Festival, bei dem die 50 besten Blechblasorchester des Landes um die „Goldene Trompete“ wetteifern. Mit dabei sind international bekannte Künstler wie Goran Bregovic und Dejan Petrovic. „Ich wusste gar nicht, dass man die Trompete auf diese Art spielen kann“, soll einmal Miles Davis zum Guca Festival in Serbien gesagt haben.
Und er musste es wissen. Miles Davis (1926 bis 1991) war einer der bedeutendsten US-amerikanischen Jazz-Trompeter. Das auf serbisch "Dragacevski sabor u Guci" genannte Festival wird seit 1961 ausgetragen und fand anfangs unter einfachsten Bedingungen statt. Mittler[img-800px][/img-800px]weile lockt das Festival fast eine Million Besucher aus der ganzen Welt an, die der Blasmusik, die nach Leibeskräften aus dem Innersten der serbischen Seele heraustrompetet wird, lauschen. Wo dieses Guca genau liegt? Die Ortschaft Guca liegt fast exakt südlich von Belgrad. Luftlinie sind es etwa 120 Kilometer, auf der Straße sind rund 155 Kilometer zurückzulegen.
Parallel findet in der Stadt Nis vom 11. bis zum 14. August 2011 das internationale Jazzfestival Nisville statt, bei dem bereits Größen wie Benny Golson oder Roy Hargrove einst zu Gast waren. Austragungsort ist das Amphiteather der Stadt, das zu den schönsten Europas zählt. Beim Festival live zu sehen sind in diesem Jahr unter anderen die Künstler Mungo Jerry, Maya and Rick, Tom Harrel, Sly and Robbie und The Jive Aces. Für mächtig Stimmung wird zudem die serbische Gruppe Misko Plavi – Trio sorgen.
Noch mehr Party und viel Bier? Vom 17. bis zum 21. August ist die serbische Hauptstadt Belgrad der Dreh- und Angelpunkt des heißen serbischen Sommers. Das Belgrader Bierfest, das auch dieses Jahr hunderttausende Besucher anziehen wird, bietet neben zahlreichen Biersorten ein fünf Tage andauerndes Musikprogramm. So wird auch die britische Band Simple Minds einen Auftritt haben und dafür sorgen, dass das diesjährige Motto “Spaß für alle” eingehalten wird. Serbien wie es singt und lacht. Der Balkanstaat scheint immer mehr aus dem Dornröschenschlaf zu erwachen und besonders im Sommer ein lukratives Reiseziel zu werden.
Ich würde gerne wissen, wie viel Menschen letztes Jahr dort waren, ich glaub es wurde bestimmt ein neuer Rekord aufgestellt aber konnt nirgends offizielle Zahlen dazu finden
Zitat von SLOGAIch würde gerne wissen, wie viel Menschen letztes Jahr dort waren, ich glaub es wurde bestimmt ein neuer Rekord aufgestellt aber konnt nirgends offizielle Zahlen dazu finden
1 Mio. wurde gesagt
BRACO SRBI BRACO SRBI SIROM ZEMLJE OVE, SVI NA NOGE SVI NA NOGE
Ich habe gehört, dass dieses Jahr 800.000 Gäste erwartet werden Das sind immerhin so viel wie 10% der serbischen Bevölkerung
bei den Loveparade in Deutschland waren glaube ich meist so um die 1.000.000 Teilnehmer sprich auf die deutsche Bevölkerung gesehen nur grob so etwas über 1%
Schon an der Grenze zu Serbien zaubert es dem Polizisten ein Lächeln ins Gesicht, wenn man erwähnt, dass man das Trompetenfestival in Guča besuchen wird. Freundlich zeigen die sonst mürrischen Grenzer den Weg auf der Landkarte und deuten an, dass man in Guča wohl etwas Besonderes erwarten kann. “Das ist unser Woodstock, nur dass es jedes Jahr stattfindet“, hört man immer wieder von Einheimischen. Anders als beim legendären Musikfestival in den USA dreht sich in Guča aber alles um serbische Folklore und traditionelle Musik.
[img-imtext]http://www.european-circle.de/uploads/pics/2012_08_guca_03.jpg[/img-imtext] Goldene Trompete für den Besten“
Im vergangenen Jahr sind mehr als 500.000 Gäste zu uns gepilgert,“ hebt Adam Tadić, Direktor des Festivals hervor. Die meisten würden zum Höhepunkt des Festivals in das Dorf mit 4.000 Einwohnern pilgern. Am Samstag wird nämlich zum 52. Mal der beste Trompeter Serbiens mit der goldenen Trompete ausgezeichnet. Ein Preis um den mehr als 600 Musiker rittern. An der hohen Qualität der Musiker erkennt man schnell, dass die Trompete das serbische Nationalinstrument ist. Obwohl seit einigen Jahren Gruppen aus ganz Europa antreten und dieses Jahr sich sogar eine Band aus Brasilien angekündigt hat, konnte seit dem Beginn des Festivals 1961 noch nie ein nicht-serbischer Musiker den prestigeträchtigen Preis mit nach Hause nehmen. “Selbst im internationalen Bewerb konnte bisher nur eine italienische Band gewinnen und das waren Serbien in der Diaspora“, weiß Tadić.
“Balkan hört nie auf zu feiern“Wer serbischen Nationalstolz kennen lernen will, ist in Guča richtig. (Fotoquelle: Michael Neumayr)Abseits der Bühne zählt aber vor allem die Lautstärke. In den Festzelten und Gastgärten des Ortes tummeln sich zahllose kleine Straßenkapellen und leichtbekleidete Tänzerinnen. Hier zählt kaum, ob ein Ton getroffen wird oder die Harmonie der Kapelle stimmt. Fast immer aus dem Takt machen die Straßenmusiker ihre künstlerischen Schwächen vor allem mit großer Lautstärke und bekannten serbischen Liedern wett. In der alkoholgeschwängerten Atmosphäre des Volksfest ist das ein Erfolgsrezept. Das zeigen die zahlreichen Geldscheine, die in den Trichtern der Instrumente und der Unterwäsche der Tänzerinnen landen. Geht es nach westlichen Maßstäben ist Guča kein Familienfest. Der Partystimmung tut das jedoch keinen Abbruch. “Der Balkan hört nie auf zu feiern. Man muss die Party nur suchen“, erzählen Girio und Nadja aus Bulgarien begeistert. Sie ziehen den ganzen Sommer von Festival zu Festival und inhalieren dabei nicht nur serbische Lebensfreude, sondern besuchen auch Bosnien, Montenegro und feiern zuhause in Bulgarien. Für die beiden Rucksacktouristen ist aber klar, Guča ist der Höhepunkt der folkloristischen Festivalsaison.
Zwischen Sliwowitz und serbischen Flaggen
Einen Wermutstropfen gibt es aber trotz der fantastischen Festivalstimmung. Wer das nationalistische Serbien kennen lernen will ist beim Festival in Guča gut aufgehoben. Neben Sliwowitz, dem berühmten Schnaps, und der serbischen Tracht, werden am Jahrmarkt nämlich vor allem serbische Flaggen, Uniformteile und auch T-Shirts mit dem Bild von Ratko Mladic verkauft. Besonders in den Nächten des einwöchigen Spektakels, wenn der Alkoholspiegel ins unermessliche steigt, kann man den Nationalismus, angefangen vom serbischen Tschetnik-Gruß, den drei gespreizten Fingern, über die aggressive Präsentation serbischer Symbole bis zur emotionalen Kosovo-Diskussion, kaum noch ignorieren. Festival-Direktor Adam Tadić hält jedoch dagegen: “Es ist kein serbisches Festival mehr. Wir werden von Jahr zu Jahr internationaler.“
Festival als wirtschaftliche Lebensader
Für die wirtschaftlich schwache Region in Zentralserbien ist die einwöchige Veranstaltung jedenfalls so etwas wie eine Lebensader geworden. “Ein Viertel des Budgets der Kommune, zu der auch der größere Ort Lucani gehört, wird in dieser einen Woche erwirtschaftet“, weiß Adam Tadić. Die aktuelle Wirtschaftskrise und die Folgen der Luftangriffe im Krieg 1999 würden der Region schwer zu schaffen machen. Ohne das Fest wäre die Stadt völlig verarmt, so Tadić.
ZitatTrompetenfestival im serbischen Guca: Party für vierhunderttausend
Guca. Es sieht aus, als hätte das Orkestar Marijana Krstica kurz vor Schluss das große Los gezogen. Die Männer rackern, als ginge es um ihr Leben, spielen, was ihre Flügel- und Tenorhörner hergeben. Stück um Stück, Stunde um Stunde. Bald ist das 52. Trompetenfestival in Guca zu Ende, doch daran denkt niemand, solange die Truppe aus Wien einen Schein nach dem anderen aus der Tasche holt. So läuft das nämlich, hier und in all den anderen Bierlauben und Kneipen: Wer die Musik bestellt, bezahlt, in bar. Scheine fliegen in die Trichter der Instrumente, werden den Musikern mit Spucke an die Stirn gepappt. Dinarscheine, Fünfhunderter oder Tausender, umgerechnet vier oder acht Euro, wechseln so ihre Besitzer.
[img-imtext]http://www1.noz.de/th/bg_large/66479724.jpg[/img-imtext]Der Trupp aus Österreich kauft sich seine Party allerdings in härterer Währung. Am Kopf des Trommlers klebt ein Hunderter, dem Cheftrompeter stopfen sie Fünfhunderter wie Rüschen in den Kragen. Euro. Dafür rattern die Rhythmen, jubeln die Trompeter in höchsten Höhen, legt das ganze Orchester noch ein paar Phon drauf. Denn für die Musiker hat sich die Reise nach Zentralserbien gelohnt. Für die Zuhörer auch. „Wir Serben sind verrückt“, sagt ihr Wortführer, und er sagt es so euphorisch, als müsste man nicht mehr wissen. Vielleicht noch so viel: Die Partylöwen sind Exil-Serben, die in Wien ein Taxiunternehmen betreiben. Eine Art Betriebsausflug zum größten Trompetenfestival der Welt.
Eine Woche lang wird dafür das Städtchen Guca im zentralserbischen Nirgendwo zur Partymeile. An den Straßen reiht sich Grillbude an Kneipe an Grillbude an Bierlaube. Orchester ziehen durch die Menge, spielen, wo sie gerufen – und bezahlt – werden. Manchmal konkurrieren in einem Lokal zwei, drei Kapellen gleichzeitig um Publikum, und wo kein Orchester spielt, knallt der Balkanbeat aus Lautsprechern, die bis zum Anschlag aufgedreht sind, als dürfte die akustische Kulisse für das feierwütige Volk keinen Riss bekommen. Dazu fließt Bier in Strömen, drehen sich Herden von Spanferkeln an den Spießen, werden Millionen von Pljeskavica gegrillt, die serbo-kroatische Form der Frikadelle.
In diesem Nationalgericht finden die Völker zusammen, die sich vor zwei Jahrzehnten in einem blutigen Bürgerkrieg erbittert bekämpften. Wer sich die Mühe macht, statt der Schneise, die der legendäre Autoput durch das ehemalige Jugoslawien schlägt, kleine Landstraßen zu nehmen, sieht im serbisch-kroatischen Grenzgebiet die Wundmale des verheerenden Kriegs: Dörfer, in denen Einschusslöcher in nahezu jedem Haus vom Straßenkampf zeugen. Wiesenstreifen zwischen der Straße und der Save, dem größten Fluss Sloweniens und Kroatiens, in denen Schilder mit Totenkopf vor den Minen warnen, die 15 Jahre nach dem Krieg immer noch hier lauern. Auf einer Anhöhe mitten im Wald finden wir ein Kriegerdenkmal, das gefallene kroatische Soldaten ehrt. Gegenüber steht ein zerschossenes Haus, die Stellung der serbischen Soldaten, wie uns ein Mann in gebrochenem Englisch erklärt, der zufällig vorbeikommt.
Noch schmerzhafter aber scheinen die unsichtbaren Wunden auf den Seelen zu sein – und kaum vernarbt. In einem Gasthof in einem Dorf nördlich der slowenischen Hauptstadt Ljubljana machen wir eine interessante Erfahrung.
Mit unseren Motorrädern werden wir von den Gästen freudig begrüßt: „BMW bestes Motorrad“, sagt man uns lachend und schulterklopfend. Als die Einheimischen aber unseren Serbien-Reiseführer entdecken, gefriert das Lächeln zu einer eisigen Maske. Serbien gilt hier immer noch als Aggressor, als Feind. Dass beispielsweise in Kroatien der gleiche nationale Chauvinismus geschürt wurde wie in Serbien, wird heute wie damals gerne ausgeblendet. Für den Rest der Reise machen wir zwar kein Geheimnis um das Ziel unserer Reise. Den Reiseführer lassen wir trotzdem im Gepäck.
Rehabilitiert sind wir, nachdem wir das genaue Ziel unserer Reise nennen: Guca hat das Zeug, die Vorurteile zu überwinden, die das Verhältnis der Völker auf dem Balkan offenbar immer noch prägen.
Noch ist der musikalische Wettstreit um die Goldene Trompete aber ein serbisches Fest, trotz Gästen aus Österreich, der Schweiz, aus Kalifornien und Australien: Sie alle haben ihre Wurzeln in Serbien. Und man muss lange suchen, um in den Autokolonnen, die sich täglich zum Festival bewegen, ein kroatisches oder slowenisches Kennzeichen auszumachen.
Damit wird das Festival zum Spiegel einer Nation, die sich in der Musik ihrer Identität versichert. Für eine Woche im August kehren die Exilserben heim, um ein Fest zu feiern, derb wie eine Dorfkirchweih und ausgeflippt wie die Loveparade. Mit dem Unterschied, dass nicht Elektrobeats die Tänzer antreiben, sondern Hochgeschwindigkeits-Bläser mit einer Musik, die auf wundersame Weise zwei Traditionen mischt. Das Instrumentarium – Flügelhorn, Tenorhorn, das Helikon – eine verschlungene Form der Tuba – sind, wie der polkaähnliche Grundrhythmus des Volkstanzes Kolo, Erbe der österreichischen Militärkapellen aus der Zeit, als Serbien Teil der k.u.k Monarchie war. Der pulsierende Rhythmus aber, den die Hörner wie Morsezeichen in die Luft stoßen, die gewundene Melodik, die rasanten Ornamente, die auch auf die kleinste Note noch einen Triller setzen – das ist der pure Orient, wie ihn die Osmanen ins Land trugen.
Genau dieser Mix macht den Reiz dieser Musik und des Festivals aus. Miles Davis war hier und ließ sich genauso von der ekstatischen Musik anstecken wie die Serben, die zu Hunderttausenden in das serbische Bergdorf strömen. „Ich wusste nicht, dass man Trompete auf diese Art spielen kann“, soll er gesagt haben.
Nicht jeder darf in Guca spielen: Für den Wettbewerb im Stadion müssen sich die Teilnehmer des Wettbewerbs in vier Vorentscheidungen qualifizieren, und nur wer an einem dieser Vorentscheide teilgenommen hat, darf durchs Dorf ziehen – andernfalls drohen drakonische Geldstrafen.
Wer allerdings im Wettbewerb spielt, konzentriert sich auf den Auftritt im Stadion. Dem Gewinner der Goldenen Trompete winkt Ruhm – und Popularität. Zum Beispiel Boban Markovic: Er ist der Superstar des Balkan Brass. Mit seinem Orchester, das er zusammen mit seinem Sohn Marko leitet, spielt er auf der ganzen Welt, und das nicht nur vor Serben. Er zieht schon lange nicht mehr für ein paar Scheine durchs Dorf, und nachdem er den Wettbewerb zum fünften Mal gewonnen hat, tritt er nur noch außer Konkurrenz auf. Wie dieses Jahr: Nach dem Wettbewerb tritt er auf die Bühne im Stadion und heizt die Party von Guca noch einmal ordentlich an – nachts um zwei Uhr. Seine Musik elektrisiert die Zuhörer, weil sie tief in der serbischen Seele wurzelt. Gleichzeitig integriert sie Ska, Jazz, Big Band – Einflüsse aus aller Welt. International eben.